Den Abschluss unserer Zeit in Ecuador wird die Reise zum Amazonas Regenwald bilden. Und das direkt nach den unfassbaren Galapagos Inseln. Uns ist klar, dass dieses Highlight-Hopping so nicht weitergehen kann. Aber wenn man schon mal da ist…
Im Osten des Landes, dem „Oriente“ liegen die Regenwälder des Amazonasbeckens. Die Region ist rund 120.000 Quadratkilometer groß und in den Amazonas gelangt man aus sechs Provinzen im Oriente. Wir haben uns für die Provinz Francisco de Orellana am 850 km langen Rio Napo, einer der direkten Zuflüsse zum Amazonas, entschieden. Von hier geht es in den Yasuni Nationalpark. Unser Camp Madari Panga liegt am deutlich kleineren Rio Tiputini.
Unsere Anreise kann kaum länger sein. Morgens um 5:00 Uhr geht´s mit dem Boot auf Isla Isabela los, um 19:00 h kommen wir am Flughafen in Quito an. Dort geniessen wir dann einen extrem langweiligen Aufenthalt in der Wartehalle, bis uns ein Fahrer um 3:00 Uhr morgens dort einsammelt. Die Hoffnung, im Auto etwas schlafen zu können, zerschlägt sich recht schnell, weil die Fahrt mit gefühlten 100 km/h durch die Serpentinen der Anden geht - eine Kurve und ein Schlagloch folgt dem Anderen. Deutlich angeschlagen von der Autofahrt kommen wir morgens um 8:00 h in El Coca an. Glücklicherweise ist unser Treffpunkt ein Restaurat. Wir haben noch etwas Zeit bis wir dort abgeholt werden, somit gönnen wir uns erst einmal ein herzhaftes lokales Frühstück.
Wir mögen ja nicht so gerne süß.
Es gibt Fisch & Maden.
Gestärkt von dem nahrhaften Frühstück geht es weiter. Mit dem Auto erst eine kurze Weile über asphaltierte Straßen dann wieder Schlaglöcher und dirt roads. (Anmerkung der Redaktion: Gibt es in der Deutschen Sprache ein Wort für die Art von Strasse?). Insgesamt rumpeln wir zwei Stunden lang immer weiter hinein in das Amazonas Gebiet. An einer Brücke des Rio Tiputini steigen wir um ins Motorkanu und fahren dann weitere eineinhalb Stunden Flussaufwärts.
Und schon sind wir da. Schlappe 32 Stunden nachdem wir das Boot auf den Galapagos betreten haben.
Die bekannteren und touristisch besser erschlossenen Amazonas Gebiete sind Pujo und Cuyabeno, diese sind deutlich einfacherer zu erreichen. Wir haben uns aber bewusst für die lange Anreise entschieden. Das Mandari Panga Camp ist das einzige in der Region und verfolgt einen nachhaltigen und wohl dosierten Tourismus. Gründer des Camps und des damit verbundenen Mandari Panga Project ist Freddy. Gemeinsam mit seinem Bruder Ramiro verfolgt er das Ziel die Chancen für die Menschen der Kischwa Community vor Ort zu verbessern, indem sie sie ermutigen, den besonderen und einzigartigen Ort, den sie Zuhause nennen, wertzuschätzen und für zukünftige Generationen zu erhalten und zu schützen. Alle Gewinne werden von Freddy und seiner Frau privat verwaltet und fließen in Projekte, die in erster Linie der Verbesserung der Bildung und der Gesundheitsversorgung der Bewohner dieser abgelegenen Gegend dienen.
Das Team im Mandari Panga, der Koch, unser Bootsführer, unsere Guides, die Putzfeen, die Küchenhilfen und Gärtner sind Mitglieder der lokalen Gemeinde. Jeder der Community arbeitet in einem rotierenden Wochentakt im Camp mit. Dies bietet den Bewohnern, die oft keine andere Einnahmequelle haben, eine Alternative um ihre Lebensqualität zu verbessern. Gleichzeitig legt das Projekt großen Wert darauf, die Bräuche, Wurzeln und Muttersprache der Kichwa beizubehalten.
Das Camp bietet insgesamt Platz für 20 Personen, ist wunderschön natürlich angelegt und wir übernachten im Zelt direkt am Flussufer. Naja, das mit dem Zelt stimmt eigentlich nur für eine Nacht. Dazu später mehr. Die Unterkunft im Camp ist eher Luxuriös. Wir haben weder Handyempfang noch warmes Wasser oder ein WC. Wir teilen uns das super ausgeklügelte Sand Plumpsklo und das Gemeinschaftsbad mit einer Vogelspinne. Strom gibt es nur Abdens kurz vom Generator zum Aufladen unserer Akkus. Und doch fühlen wir uns wie im Paradies. Neben den modernen und zukunftsweisenden Ansichten der Brüder fällt uns gleichzeitig immer wieder die Spiritualität und unzertrennliche Verbundenheit mit den indigenen Wurzeln und der Natur auf. Und so sind es neben der faszinierenden Pflanzen, Tierwelt und den unzähligen exotischen Geräuschen, insbesondere die Menschen, die uns nachhaltig in Erinnerung bleiben und berühren.
Ramiro
Unser permanenter Begleiter. Selber im Regenwald aufgewachsen hat er seit seiner Kindheit alles über den Dschungel, die Tiere aber auch über seine Kultur gelernt. Als einer der wenigen jüngeren Menschen spricht er noch die Muttersprache, die zunehmend verloren geht. Wenn er nicht im Camp arbeitet, studiert er nebenbei Wirtschaftswissenschaften. Es gibt keine Vogelstimme die er nicht perfekt imitieren kann und er bestimmt unzählige Vögel bereits aus Hunderten Metern Entfernung. Dass begeistert selbst uns als nicht ganz so passionierte Ornithologen.
Beim Essen können wir viele interessante Gesprächsthemen mit ihm erörtern. Er gibt uns Eindrücke und die Schwierigkeit der Traditionen und der Moderne. Beispielsweise das Ölgeschäft in der Region. Auf der einen Seite hat es den Bewohnern neue Möglichkeiten eröffnet die vorher undenkbar waren, gleichzeitig zerstört es rasend den Lebensraum und forciert den Untergang der indigenen Kulturen.
Seine anfängliche sehr freundlich aber höflich distanzierte Art wechselt nach kürzester Zeit in absolute Herzlichkeit und Offenheit, an die wir jetzt schon gerne zurück denken. Wir haben sehr viel gelacht und seine abendliche Motivation für den nächsten Tag wird das Motto unserer Reise.
„Everything is possible. All you need is good Energy“!
Valerio
Für uns der Inbegriff von Natur. Die ganze Person scheint nur aus Kraft zu bestehen. Alles was uns Mühe bereitet, ist für ihn das Leichteste der Welt. Ob in Gummistiefeln, von Moskitos umzingelt, durch den Sumpf zu stapfen oder mit dem Kanu gegen die Strömung flussaufwärts zu paddeln; inklusive Sanni im Gepäck. Kein Problem. Zur Abkühlung springt er eben einfach mal kurz in den Fluss. Die Piranhas interessieren ihn dabei eher weniger. Er ist für uns Augen und Ohren. Kein Tier bleibt von ihm unentdeckt. Wir können nicht begreifen, wie er aus 200 Metern Entfernung ein Faultier in der dichten Blätterkrone entdeckt. Ebensowenig wie er bei strömendem, Regen und voller Fahrt erkennt, dass ein Flussdelphin um uns herumschwirrt und dann tatsächlich auftaucht.
Er kennt jede Pflanze, ihre medizinische Bedeutung und jeden Mythos dazu. Nie zuvor haben wir so viele Dinge aus einem „Wald probiert“. Ameisen inklusive.
Lisandro
Unser Koch. Wir kommen aus dem schwärmen gar nicht mehr heraus. Abgesehen davon, dass Ecuador uns bisher keine großartigen kulinarischen Highlights geboten hat und wir hier jeden Tag 3! Mahlzeiten genießen, ist es einfach unglaublich, wie der junge Mann kocht. Es gab nicht eine Mahlzeit die uns kein Mhhh… Ohhhh… Ahhhh… entlockt hat. Alles künstlerisch und äußerst stilvoll angerichtet. Traditionelle Gerichte werden mit europäischen und (für uns geschmeckt) asiatischen Einflüssen kombiniert. In Berlin würde das wohl Fusion-Kitchen heissen. Nur das Lisandro ganz bestimmt noch nie in Berlin war, sondern sein gesamtes bisheriges Leben am Flus verbracht hat. Wir sind restlos beeindruckt und er stets schüchtern und bescheiden. Beim Gruppen-Selfie können wir ihm dann immerhin ein kleines Lächeln entlocken.
Julie
Julie ist die Tochter des Gründers und arbeitet während unseres Aufenthaltes im Service. Auch sie ist Teil der Community und es gilt keine Ausnahme, nur weil sie die Tochter des Chefs ist. Gleichzeitig möchte sie ihr Englisch verbessern und es ist jedesmal zu schön, wenn sie uns ganz professionell die einzelnen Gänge vorstellt. Ihre große Schüchternheit ist dabei nicht immer ganz hilfreich, aber wir merken, dass auch sie sich mehr traute, je häufiger wir sie ansprechen. Ihr Ziel ist es Ende November an die Universität von Tena zu gehen, um dort Ökologische-Architektur zu studieren. Am Tag ihrer Abreise steht noch immer nicht fest, ob es damit tatsächlich klappt. Und zum Abschied fragt sie uns im perfekten Englisch sogar nach einem gemeinsamen Foto! Wir drücken ihr mehr als alle Daumen.
An den ersten zwei Tagen erkunden wir den Fluß per Motorkanu. Hier wird unsere Geduld richtig auf die Probe gestellt. Denn wir haben noch zwei mitreisende Schweden Im Gepäck. Caroline und Peter. Zwei sehr nette Menschen; letzterer ein absoluter Vogel-Nerd. Und das in Kombi mit Ramiro. Ihr erinnert euch: unser Guide mit den Vogelstimmen. Also heißt es permanent Kopf in den Nacken und Vögel gucken. Zu oft hörten wir den Spruch:
Tucan is calling… far away!!!
Von weitem sehen für uns alle Vögel schwarz aus. Oder wie Gerriet sagt, „Man muss ja nun nicht bei jeder Drosseln und jedem Spatzen anhalten“. Na gut, wir geben zu, aus der Nähe betrachtet, sind schon einig coole Exemplare dabei. Außerdem haben wir das Glück Flussdelfinde zu sehen und eine lustige Truppe Affen bei ihren waghalsigen Sprüngen zu beobachten.
Besonders schön sind die Touren im Kajak. Lautlos gleiten wir den Rio Tiputini hinunter. Die Perspektive im Kayak ist noch einmal eine ganz andere als im Motor-Kanu. Einmal begleitet uns sogar Gonzalito. Der Tapir war quasi Sanni‘s Geburtstagsgeschenk! Denn da tauchte er das erste Mal so richtig nah im Camp auf. Er wurde aus dem Zoo El Coca ausgewildert und lebt nun völlig frei im Nationalpark. Er ist an Menschen gewöhnt und bestechlich. Für ein paar Bananen durften wir sogar mit ihm knuddeln! Die Schwimmtour unternahm er aber ganz freiwillig. Tapire sind unfassbar gute Schwimmer und lieben das Wasser. Neu ist für uns wie lange Gonzalito tauchen kann. Er ist mehrere Minuten verschwunden bevor wer immer wieder hinter unseren Kayaks auftaucht. Unter Wasser bewegt er sich ähnlich einem Flußpferd, erklärt uns Ramiro.
Wir erkunden die Nebenarme des Flusses, die mit ihrer dichten Vegetation nahezu magisch wirken. Die Suche nach der Königin der Schlangen, der Anaconda, es bleibt leider erfolglos. Dafür haben wir das Riesen Glück einen Kaiman und zwei Faultiere zu sehen. Wobei einer der zwei Faultiere lediglich als Wollkneul zu erkennen ist. Wie Valerio es beim Vorbeifahren entdeckt hat, ist uns ein Rätsel.