17. - 20. Dezember
Dies ist das Logbuch des Segelschiffs Alessandra und ihrer Chaos- Crew. Unterwegs auf der Suche nach Karibischen Inseln, unbeschwertem Leben und fremden Zivilisationen.
Bevor wir am Abend des 17. Dezembers an Board der Alessandra gehen, gilt es zunächst noch einige Formalitäten zu erledigen. Das Wichtigste: wir brauchen Bargeld. Denn wir bezahlen die gesamte Reise am Morgen, bevor wie ablegen, in Cash beim Kapitän. Außerdem müssen wir für die Ankunft in Panama auch noch Pesos in Dollar eintauschen.
Klingt jetzt erstmal nicht so schwer aber in Kolumbien mal eben mehrere hundert Euro in einem Rutsch aus einem Geldautomaten zu ziehen, ist keine Selbstverständlichkeit. Viele Automaten haben ein Limit und andere sind einfach leer. So erledigen wir das bereits an den Vortagen in Etappen. Pünktlich machen wir uns dann am morgen mit dem Taxi auf in Richtung Yachthafen zu unserem Briefing. Kurz vorm Ziel wird unser Taxi plötzlich von zwei Polizisten gestoppt. Sie gehen ums Auto und versuchen durch die getönten Scheiben zu schauen, fordern uns dann auf die Türen zu öffnen. Als wir freundlich guten Tag sagen und die Frage nach unserem Ziel wahrheitsgemäß beantworten, müssen wir aussteigen. Als nächstes wird unser Pass verlangt und kontrolliert und dann müssen wir beide unsere Taschen zur Durchsuchung abgeben. In Gerriets Rucksack befindet sich das gesamte Bargeld für unsere anstehende Reise. In Peso-Scheinen ein filmreifer dicker Stapel. Die Polizei verzieht keine Miene und zählt das Geld erstmal in Ruhe durch. Puh, jetzt bloss kein Kopfkino kriegen. Einfach ganz ruhig bleiben und unter der Maske nett lächeln. Nach kurzem Gesprächsaustausch zwischen den beiden Polizisten, bekommen wir dann zum Glück unsere Taschen, samt Geld und Ausweisen wieder und dürfen passieren. Auch dies ist keine Selbstverständlichkeit. In Anbetracht des Bargelds ist es nach der Erfahrung unseres Kapitäns durchaus üblich, dass die Polizei sich die Herausgabe des Passes und die Genehmigung zur Durchfahrt „entlohnen“ lässt. Quasi für die gute Arbeit die sie leisten und zur Gewährung der Sicherheit.
Ja, ja - die Polizei dein Freund und Helfer… aber lassen wir das!
Unbeschadet kommen wir beim Briefing an und treffen auf unseren Kapitän Rudi Gamberoni; waschechter Südtiroler und seit 10 Jahren Wahlkolumbianer. Irgendwie haben wir direkt das Gefühl, dass dieser Capitano eine coole Socke ist. Mag auch am witzigen Namen liegen. Mit uns an Board gehen insgesamt 10 weitere Mitreisende aus Deutschland, Großbritanien, den Niederlanden und der Schweiz. Die Stimmung ist direkt sehr nett und wir haben ein gutes Gefühl bei dieser Truppe. Nachdem die Bezahlung geklärt ist und wir mit Dollar bestückt sind, müssen wir alle noch bestätigen vollständig geimpft zu sein und ein Weiterreiseticket aus Panama heraus zu haben. Anschließend müssen wir alle unsere Reisepässe abgeben. Da wir bei dem Törn ja über die Seegrenze nach Panama einreisen, müssen in Kolumbien bereits die Ausreise Formalitäten erledigt werden. Und so verschwinden unsere Pässe in der Tasche einer netten Damen von der Buchungsagentur. Zack weg sind. Laut Rudi bekommen wir sie wieder, wenn die Immigration auf San Blas erledigt ist. Ok, dass muss dann wohl so. Warum wir uns ein bisschen unwohl dabei fühlen? Reisepässe sind unser Heiligtum auf Reisen und man brauch sie bei jeder Gelegenheit - beim Hotel check-in, bei Busfahrten und natürlich bei Polizeikontrollen.
Wir machen uns auf den Rückweg, um unsere Sachen zu packen. Diesmal verlassen wir den Hafen zu Fuß. Dabei kommen wir wieder an den beiden fleißigen Polizisten vorbei, die jetzt zu dritt sind. Wieder grüßen wir freundlich. Einer grüßt freundlich zurück, uns offensichtlich erkennend. Der “Neue“, ein kleiner Giftzwerg, gestikuliert direkt los und winkt uns zu sich. Wir bleiben sichtlich verwirrt stehen. Zum Glück ist der größte Teil des Geldes schon weg. Der andere Polizist greift dann aber ein und „pfeift“ seinen Kollegen zurück. Er verabschiedet uns besonders nett und wünscht uns einen schönen Tag. Dem anderen Herren passt das offensichtlich nicht so. Was auch immer er noch vor hatte. Weihnachten steht vor der Tür und vielleicht hatte er noch keine Geschenke gekauft…
Logbuch Freitag, 17.12.2021
20:00 Uhr
Als wir am Abend endlich an Board der Alessandra gehen sind wir direkt begeistert. Das Segelschiff ist beeindruckend. Ein klassisches Topsegel-Schoner-Segelboot aus Holz, gebaut 1988 in Neuseeland. Mit 22 Metern Länge und einer Masthöhe von 4,70 m finden hier bis zu 20 Personen Platz. An Board gibt es eine eigene Entsalzungsanlage für Trinkwasser und Solarpanelen damit unsere Handys und Kameras immer mit genügend Saft geladen sind. Sowohl unter aber insbesondere über Deck gibt es schöne und zahlreiche Aufenthaltsmöglichkeiten. Wir richten ersteinmal unser Bett in einer 6er Kabine ein und machen uns mit dem Boot vertraut. Besonders wichtig: Wo kommen all unsere Getränke Vorräte hin? Denn davon haben alle Gäste an Board reichlich mit. Die gesamte Crew besteht aus Rudi und seinem Marinero, Hermann aus Argentinien. Beide Segeln das erste Mal zusammen. Bevor wir unser erstes Bierchen an Board öffnen dürfen, bekommen wir noch ein Briefing mit den sehr wichtigen, einzuhaltenden Regeln auf einem Segelschiff. Insbesondere im Hinblick auf die Zeit, die wir auf dem offenen Meer sein werden. Das allerwichtigste jedoch: „No Paper in the Toilet“ und „No Sand on this Boat“! Okay, klingt machbar! Apropos Klo. Insgesamt verfügt die Alessandra über 3! Toiletten, die mit einer elektrischen Pumpe betrieben werden. Leider ist eines der WCs defekt und das andere ist das exklusive Kapitäns-Örtchen, so dass für uns Gäste nur noch eine Toilette zur Verfügung steht. Nun gut. Wir sind ja alle ordentliche Menschen, das wird schon. Und es gibt ja auch immer noch den Atlantik.
22:00 Uhr
Wir Passagiere sitzen gesellig zusammen und lernen uns ersteinmal kennen. Das ist eine richtig spaßige Runde. Die Crew ist im Bett. Ansage von Rudi ist, dass alle um Punkt 05:00 Uhr am nächsten Morgen an Deck sein sollen und der Anker gelichtet wird. Na dann können wir ja noch eine Runde. Die Zeit vergeht wie im Flug.
Logbuch Samstag, 18.12.2021
01:30 Uhr
Rudi kommt plötzlich, wie von der Tarantel gestochen, aus seiner Kabine an Deck gestürmt und verkündet lauthals schimpfend, dass wir JETZT starten weil er nicht schlafen kann. Die gesamte Gruppe verstummt schuldbewusst, in der Annahme, dass wir ihn mit unserem Geplapper um seinen wohlverdienten Schlaf gebracht haben. Als wir uns brav entschuldigen, krakelt er weiter:
NEIN, Vakuna!
Es ist das Gift. Diese scheiss Vakuna. Irritiert davon was er meint erklärt er uns, bzw. schimpft er weiter, dass er gestern seine Impfung mit J&J bekommen hat und nun fühlt er sich schlecht und kann nicht schlafen, weil er Unruhe hat und das er doch gleich gesagt hat das er dieses Gift nicht haben wollte. Die Krankenschwester wollte partout seinem Wunsch nicht nachkommen, die Impfung nur vorzutäuschen und an seinem Arm vorbei zu spritzen. Wir alle sind nun erstmal still, vielleicht auch ein bisschen beunruhigt darüber, dass wir nun so überstürzt aufbrechen mit einem Kapitän der offensichtlich nicht so richtig fit ist. In Sanni kommt direkt das „Ich halte die Fahnen für die Impfung hoch“ Gen durch und sie versucht Rudi zu beruhigen, dass das Gift in echt gut ist und sicher ist und überhaupt. Sie empfiehlt ihm ganz ganz viel Wasser zu trinken. Was er etwas trotzig beantwortet: Normalerweise trinke ich Bier. Aber gut, dann trink ich jetzt eben Wasser. Hol mir halt eins!
-Ey Ey Käpt´n!
Als der Motor startet, kehrt wieder Ruhe ein. Alle schmunzeln über die vorherige Situation und sind jetzt voller Vorfreude und Spannung auf unseren ersten Tag auf dem Atlantik.
02:15 Uhr
Als wir nicht mal eine Stunde unterwegs sind, kommt wieder Unruhe auf: Es riecht komisch an Board.
Rauch aus dem Motorraum! Oha
Also Motor aus und Luken auf! Rudi und Hermann verschwinden im Rumpf des Schiffes. Schon kurze Zeit später scheint die Ursache gefunden. Ein Schlauch zur Kühlung ist defekt. Seine Ursachenforschung ergibt: Am Vortag hatte Rudi Handwerker im Schiff. Diese sind auf den Schlauch getreten, wodurch dieser gebrochen ist und die Kühlung des Motors nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das hat er allerdings nicht so wohl formuliert vorgetragen. Er war direkt wieder auf 180 in Anbetracht der Tasche, dass es einfach kein ordentliches Personal in Kolumbien gibt und man einfach lieber alles selber machen soll. Die Chaos Crew hätte ihren Namen nicht verdient, wenn es nicht eine Reihe von kleineren Verkettungen gäbe. Unser Kapitän hat zwei Handys, wovon jedoch keines funktioniert. Das eine hat kein Guthaben und das andere hat irgendwelche anderen Störungen. Gut, dass wir Touris, Handys mit lokaler SIM-Karte haben. So kann Rudi noch in der Nacht, die Chefin der Agentur aus dem Bett klingeln und mit ihr die Situation besprechen. Nach 2 weiteren Stunden ist klar, wir können nicht weiter, da es keinen Ersatzschlauch an Board gibt. Dieser kann erst am nächsten Morgen besorgt werden. Also Anker raus und alle ab ins Bett. Gerriet entschließt sich an Deck zu schlafen.
04:45 Uhr
Gerade als sich die Aufregung an Board beruhigt hat und alle in ihren Kajüten schlafen wird Gerriet von einem lauten Horn unsanft aus dem Schlaf gerissen. Mit halb geöffneten Augen dreht er sich zur Seite und sieht eine große schwarze Wand direkt auf uns zu kommen. Und wieder das laute Horn. Jetzt sogar mehrfach direkt hintereinander. Die Augen weit aufgerissen erkennt er, wie ein großes Containerschiff Kurs auf uns genommen hat. Oder sollte man besser sagen, wir auf seinem Kurs ankern? Die schwarze Wand kommt näher und näher; macht keine Anstalten auszuweichen. Warum auch, schliesslich liegen wir direkt in der Schifffahrtsrinne vor der Hafeneinfahrt. Gut, dass die uns überhaupt in der Dunkelheit entdeckt haben, denn weil der Motor kaputt ist, hat Rudi die Positionslichter der Alessandra ausgemacht, um Strom zu sparen. Stattdessen leuchtet nur eine Lampe an Deck. Im nächsten Moment kommt Rudi auch schon an Deck geeilt, nimmt die Lampe, geht mit ihr zur anderen Seite, wo das Schiff weiterhin auf uns zusteuert und winkt in großen Bögen mit der Lampe in der Hand. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis wir sehen, dass das Containerschiff seinen Kurs ändert und parallel an uns vorbei fährt. Gefahr gebannt, wir legen uns wieder schlafen.
7:00 Uhr
Rudi telefoniert wieder mit der Agentur im Hafen von Cartagena. Er bittet darum, dass uns jemand das Ersatzteil zum Boot bringt. Am Besten direkt inklusive Mechaniker. Moment mal, was ist denn aus „wenn man nicht alles selber macht“ geworden?! Und so kommt es dann auch. Die Agentur kann am Samstag morgen niemanden auftreiben. Also bleibt Rudi nichts anderes übrig, als selbst mit dem Dinghi (ein keines Gummi Motorboot) zurück nach Cartagena zu fahren und den neuen Schlauch zu besorgen. Doch auch diese Aktion gestaltet sich zunächst etwas schwierig, da der Motor des Beiboots ebenfalls zickt. Diesen hatte Rudi extra einige Tage zuvor noch warten lassen. Während des Transports zur Werkstatt mit dem Taxi ist der Taxifahrer mitsamt des Motors abgehauen bevor Rudi diesen aus dem Kofferraum nehmen konnte. Er hat sich aber das Kennzeichen gemerkt, die Polizei hat den Fahrer ausfindig gemacht und dieser hat den Motor dann tatsächlich zurückgebracht. Die anschließende Wartung scheint aber ebenfalls nicht die professionellste gewesenen zu sein. Irgendwann läuft dann aber der Motor. Nur ob der Sprit für eine solch lange Fahrt zurück an die Küste reicht ist fraglich. Wir erhalten vom Käpt´n kurze Instruktionen, was wir der Polizei/Küstenwache sagen sollen, wenn diese kommt, was ziemlich wahrscheinlich ist, denn wir Ankern ja wie gesagt mitten in der Fahrrinne. Zum Glück kann unser Mitreisender Björn perfekt spanisch und ist somit nun der offizielle Polizeibeauftragte!
08:00 Uhr
Der Kapitän hat sein Schiff und uns verlassen. Zum Glück haben wir Herman. Uns ist in der kurzen Zeit an Board schnell klar geworden, das sein Aufgabenfeld an Board sehr vielfältig ist. Neben Koch, Skipper, Mechaniker und Putzfee ist er nun eben auch unser Co- Kapitano. Wir vertrauen ihm voll!
09:00 Uhr
Ein entfernter Punkt am Horizont taucht auf. Als er näher kommt sehen wir ihn endlich. Unsere Käpt´n kehrt zurück und mit ihm der Ersatzschlauch. Nun heisst es für ihn wieder runter in den Schiffsbauch. Wir warten gemütlich mit einem Käffchen an Deck während der nächste Riesen-Tanker Kurs auf uns nimmt. Auch er sieht uns zum Glück und zieht an uns vorbei.
10:00 Uhr
Es kommt, wie es kommen muss. Die Küstenwache ist da. Björn erklärt stellvertretend für Rudi und Hermann, die noch immer im Schiffsrumpf am werkeln sind, unser Problem und dass wir kurz davor stehen, dieses zu lösen. Das interessiert die Damen und Herren aber mal so gar nicht. Sie verlangen nach dem Käpt´n und fordern Rudi auf die Fahrrinne unverzüglich zu verlassen. Ansonsten werden wir abgeschleppt und das wird teuer. Also arbeiten die beiden weiter mit Hochdruck im Motorraum. Die Küstenwache weicht uns während dessen nicht von der Seite und umkreist uns. Dann endlich das erlösende Motorengeräusch. Wir verlassen die Fahrrinne.
11:30 Uhr
Wir stehen erneut. Die Freude über den laufenden Motor ist von sehr kurzer Dauer. Die Temperatur steigt, sobald wir den Motor bei voller Leistung länger als 30 Minuten nutzen. Und so geniessen wir noch immer die Aussicht auf Cartagena. Rudi ist sich sicher, das Problem erkannt zu haben und es zeitnah lösen zu können. Wir haben ja Zeit und geniessen den frühen Tag und chillen an Deck mit einem gut gekühlten Bierchen. Rudi und Hermann hingegen geben nicht auf und tüfteln und werkeln weiter im Motorenraum herum. Mittlerweile haben sie dabei Unterstützung von Björn, der, wie sich herausstellt, nicht nur perfekt spanisch spricht, sondern auch noch Ingenieur ist. Also wenn das nicht die Rettung ist: Deutsche Ingenieurskunst an Board. Das muss doch klappen.
13:40 Uhr
Bis zum frühen Nachmittag läuft zwar der Motor immer mal wieder aber unser Erfolg ist nie von langer Dauer. Die Temperatur steigt jedes mal wieder an.
Zu allem Überfluss stellen wir auch noch fest, dass die Toilettenspülung unseres einzigen Gast-WC nicht mehr funktioniert. Der Elektroschalter scheint einen Kurzschluss zu haben. Oha, nun haben wir genau noch ein Klo und zwar das in Rudis Kapitänskabine. Er versichert, dass die Reparatur des Schalter ein Klacks ist, aber der Motor nun erstmal Prio habe. Und so segeln wir los. 14 Menschen, ohne Motor, mit einem Klo aber voller Hoffnung, dass alles gut wird. Hinaus in den blauen Atlantik. Obwohl der Wind nur mäßig ist, fahren wir im Schnitt immerhin 3-4 Knoten (mit Motor wären wir ungefähr doppelt so schnell). Je weiter wir auf das offene Meer kommen, desto höher werden die Wellen. Mit bis zu 4 Metern schaukeln sie uns hin und her. Das Bewegen an Board fällt uns zu Anfang nicht ganz leicht und die meisten von uns haben prophylaktisch bereits am Morgen eine Reisetablette eingenommen. Je länger wir aber vor uns hinschaukeln, desto mehr können wir die Fahrt genießen und gewöhnen uns daran. Den Rest des Tages herrscht eine friedliche und sehr besondere Stimmung auf dem Boot. Irgendwie sind wir richtig froh, dass wir ohne den lauten Motor fahren.
Zum Mittag und Abendessen werden von wir von Herman und Rudi mit hervorragenden Köstlichkeiten bekocht und haben erneut einen lustigen und geselligen Abend. Rudi und Herman segeln die ganze Nacht hindurch weiter. Alle zwei Stunden wechseln sie sich ab und der jeweils andere kann ein bisschen dösen. Einige von uns schlafen in den Kabinen, andere, wie auch Gerriet, wieder oben an Deck, da es dort nicht so heiss ist wie unten.
Logbuch Sonntag, 19.12.2021
Irgendwann um 05:00 Uhr
Wir werden unsanft durch lautes Gezeter aus dem Schlaf gerissen. Wie wir selber schnell merken, ist der Seegang nicht ganz unproblematisch, es schaukelt mehr als heftig und unsere zwei Mann Crew ist mächtig am kämpfen. Rudi der offensichtlich „in Situationen mit turbulenten Geschäftsbetrieb nicht stets die Ruhe bewahrt“ brüllt auf Spanisch-Deutsch ständig wechselnde Kommandos an den armen Herman, welcher an den Segeln hantiert.
Aribaaaa, Aribaaaa,… Neeeein, Abachoooo hab ich doch gesagt! Abachoooo! Hablo Chino?
Herman führt geduldig alle wechselnden Befehle aus und das Schiff ist binnen kurzer Zeit wieder auf Kurs. Wir alle kommen nicht umher, uns köstlich über Rudi zu amüsieren und die Nachahmung seiner „emotionalen Ausbrüche“ ist uns schon bald einer der liebsten Zeitvertreibe. Doch egal wie chaotisch unser Trip bisher auch ist, wir merken, dass Rudi zu jeder Zeit weiss, was er tut. Immerhin segelt er seit 25 Jahren und hat dabei schon mehrfach den Atlantik überquert. Unser anfängliches Mitleid mit Herman können wir schnell vergessen, denn er ist einfach eine Frohnatur und nimmt seinen „Kapi“ wie er ist. Mittlerweile sind wir übrigens gute 16 Stunden auf der offenen See unterwegs.
Der Motor ist aus.
17:50 Uhr
Wir segeln den ganzen Tag mit gemütlichen 2 - 4 Knoten durch die meterhohen Atlantikwellen. Ein unbeschreiblich schönes und besonderes Gefühl. Die Stimmung an Board könnte besser nicht sein. Jeder scheint äußerst zufrieden in Tagträumen zu ruhen. Naja fast jeder. Rudi, Herman und Björn sind immer wieder mit der Reparatur der Motorpumpe beschäftigt. Sie geben nicht auf. Nach und nach bauen die drei gefühlt alle dazugehörigen Teile aus. Ein oder zweimal fahren wir tatsächlich auch wieder mit Dieselkraftstoff. In diesen kurzen Momenten, bei denen wir deutlich an Geschwindigkeit gewinnen, fangen wir mit unseren permanent ausgeworfenen Angeln direkt einen Mahi Mahi. Auf Deutsch: Dorade. Jubel an Board. Das Abendessen ist gesichert.
Unsere Getränkevorräte werden kleiner, erste Besorgnis macht sich breit.
Der Motor bleibt aus.
Logbuch Montag, 20.12.2021
07:00 Uhr
Frühstück Nummer 3 an Board. Heute ist der Tag der planmäßigen Ankunft auf den San Blas Inseln. Mittlerweile sind wir seit knapp 60 Stunden an Board. 40 Stunden davon auf hoher See. Obwohl wir die gesamte Zeit segeln sind die Trauminseln noch weit entfernt. Dafür hat Rudi über Nacht im Traum eine Eingebung und ist sich nun, an Tag drei, ganz sicher des Rätsels Lösung der defekten Kühlung gefunden zu haben. Also verschwindet er wieder im Schiffsbauch und wir machen uns an die schwindenden Getränkevorräte. Einige Mitglieder unserer Gruppe werden bezüglich unserer Verspätung langsam etwas nervös. Zum einen besteht nun die Sorge, dass wir vor Ort gar keine Zeit mehr verbringen oder falls doch, die teilweise schon gebuchten Unterkünfte im Anschluss verfallen. Bescheid geben geht auch nicht, da hier im Nirgendwo niemand Empfang hat. Gerriet und mich stört es nicht, da unser Hostel a.) günstig und b.) schon von uns vorgewarnt war. Wir freuen uns eher, dass wir nun zwei Tage geschenkt bekommen haben. Rudi hat nämlich bestätigt, dass wir 3 Tage auf San Blas gebucht haben und somit auch drei Tage auf San Blas bekommen! Wann genau diese 3 Tage beginnen ist doch eigentlich ganz egal. Wir stimmen zu. Alles gut, die Stimmung beruhigt sich wieder. Wir segeln weiter.
10:50 Uhr
An Board herrscht Euphorie! Der Motor schnurrt schon seit geraumer Zeit, das Mechaniker-Team ist sich sicher:
Das ist der Durchbruch. Feierstimmung!
Der Kapitän bekommt nun endlich auch mal ein Bier!
Wir fahren mit 6 Knoten! Und kaum, dass wir wieder Speed haben, fangen wir kurz hintereinander zwei leckere Thunfische! Wenn das so weiter geht, sind wir heute Abend am Ziel! Juhu! Und dann können wir sicher auch bei den Kuna-Inidgenen, die dort leben, unsere Getränkevorräte auffüllen. Den Rauchern gehen außerdem langsam auch die Zigaretten aus.
13:00 Uhr
Euphoriemodus aus. Der Motor auch! Endlich entscheidet Rudi alle weiteren Versuche, ihn wieder zum Laufen zu bringen, einzustellen und sich seinem Schicksal zu ergeben. Per Sattelitentelefon nimmt er Kontakt zu einem befreundeten Segler auf, der professioneller Mechaniker ist und aktuell bei San Blas liegt. Soll der mal einen Blick drauf werfen, wenn wir ankommen. Wir merken, das es an ihm nagt, die Reparatur nicht bewerkstelligt zu haben. Hätte er nicht zu 100% geglaubt den Motor zum Laufen zu bekommen, wäre er nicht mit uns losgefahren. Denn eine Überquerung des offenen Atlantik ohne die unterstützende Motorenkraft birgt natürlich auch gewisse Risiken. So haben wir nun aber endlich mal die Gelegenheit etwas ausführlicher mit ihm zu quatschen. Rudi entspannt sich nach und nach merklich und erzählt uns aus seinem Leben und die ein oder andere Anekdote aus seinem Segel-Dasein. Wir mögen unseren schrägen Kapitän immer mehr!
19:00 Uhr
Ein weiterer wahnsinnig schöner Tag unter vollen Segeln auf dem wilden Atlantik. Die meterhohen Wellen gehören inzwischen zu unserem Alltag und wir bewegen uns auf dem Boot, als hätten wir nie etwas anderes gemacht. Von Seekrankheit zum Glück keine Spur.
Nach dem einfach immer wieder erwähnenswert leckeren Abendessen, gibt es einen kurzen Schock-Moment. Herman rutscht beim Abdecken aus und stürzt richtig doll auf sein Knie. Dieses schwillt innerhalb von Sekunden auf unfassbare Ausmaße an. Alle sind ganz aufgeregt und wollen helfen. Herman nimmt es gelassen und Rudi meint nur: Das wird schon. Immerhin können wir unseren Marinero überzeugen eine IBU 600 einzuwerfen und das Knie mit unserem letzten bisschen Eis aus der Getränkekühltruhe zu behandeln. Getränke ist das Stichwort. Noch ist ja ein bisschen Bier, Cola und Rum vorrätig. Als es gegen gegen 23:00 Uhr kurz vor Partystimmung ist, muss Rudi zur Ordnung rufen. Er hat vor auch diese Nacht wieder durch zu segeln. Das geht aber natürlich nicht mit betrunkenen Leuten an Deck. Also alle ab in die Koje oder ins Bett an Deck.
Ey Ey Käpt´n
Fortsetzung folgt…
So, Sonntag morgen im Bett mit eurem Blog schön beginnen! die Musikuntermalung des Nachtsegeln ist hervorragend gelungen🤩